1 x 1 des Cashmanagements

Verstehen Sie den Finanzchef oder glauben Sie ihm einfach? Die meisten Verwaltungsräte waren früher nicht selbst CFO. Sie gehen davon aus, dass der Ex-CFO am Tisch schon intervenieren wird wenn nötig. Wenn die Margen kleiner werden und der Investitionsstau oder die Zinslast grösser, dann macht es  für alle Sinn, ein paar Grundlagen zu verstehen: das Cashmanagement ist dann besonders wichtig. Denn die Liquidität stellt sicher, dass man Rechnungen bezahlen kann. Anders als die Erfolgsrechnung und die Bilanz zeigt der Cashflow, wie es wirklich läuft mit dem Geld: Wird es mehr oder wird es weniger? Wenn’s weniger wird, muss man hinschauen und allenfalls handeln.

Stellen Sie sich die Firma vor als Eimer mit vier Löchern. Oben fliessen der Umsatz und Kapital rein und unten fliesst das Geld wieder raus. Im ersten Loch fliessen die Betriebsausgaben ab: Löhne, Mieten, Lizenzen, Versicherungen, Marketing und so. Im Englischen nennt man das OPEX für Operating Expenditure. Durch das zweite Loch fliessen die Investitionen, die zwar als Vermögenswerte in der Bilanz aktiviert werden, aber das Geld ist weg, sobald die Rechnung bezahlt wurde: Für Fahrzeuge, Maschinen, Gebäude, Geräte, Geistiges Eigentum, Software etc. das ist CAPEX für Capital Expenditure. Im dritten Loch fliessen Ausgaben ab, die in Abhängigkeit zum Umsatz entstehen: Mehrwertsteuer, Provisionen, Versand, Bearbeitungsgebühren, Spesen und so. Das ist REVEX für Revenue Expenditure. Durch das vierte Loch verschwinden die Ausgaben für die Finanzierung, also die Kosten dafür, anderer Leute Geld zu nutzen: Zinsen auf Darlehen, Gebühren, Dividenden zum Beispiel. Das ist FINEX zu Englisch für Finance Expenditure.

Das Ziel des Cashmanagements ist es, dass der Wasserstand im Eimer (Liquidität) mindestens konstant hoch ist oder steigt. Wenn er steigt, kann man Schulden zurückzahlen oder Investitionen tätigen. Das Cashmanagement kontrolliert die Liquiditätsflüsse – die Zuflüsse und die Abflüsse.

OPEX – die Betriebsausgaben

OPEX beantwortet die Frage: Wie hoch sind die monatlichen Ausgaben, um das Geschäft zu betreiben? Und zwar tatsächlich und inklusive Mehrwertsteuer. Das ist die «Burnrate», wenn kein Umsatz mehr kommt. Dann “verbrennt” man Geld. Wichtig zu wissen ist dabei: Welche Ausgaben sind in welcher Frist abbaubar oder kündbar? Das sind die variablen Kosten mit ihrer «Runway», dem Bremsweg. Andere Kosten gelten als fix – ein 5-Jahres-Mietvertrag zum Beispiel. Die OPEX zeigen an, was der Betrieb kostet, wie kosteneffizient er funktioniert. Einsparungen bei den OPEX sind direkt ergebniswirksam, sie bilden einen direkten Hebel für die finanzielle Steuerung.

Eine sinnvolle Kennzahl für das operative Geschäft ist: die OPEX-Quote
Formel: OPEX / Umsatz
Bedeutung: Zeigt, wie viel Prozent des Umsatzes für den laufenden Betrieb aufgewendet werden. Eine hohe OPEX-Quote kann auf Effizienzprobleme hinweisen.

CAPEX – die Investitionen

Capex bildet ab, was angeschafft werden muss und wird in der Bilanz aktiviert wird. Ohne Ofen backen Sie kein Brot. Jedes Geschäft braucht Investitionen, um funktionieren zu können, auch wenn es nur ein Laptop ist. CAPEX drückt sofort auf die Liquidität. Deshalb ist es wichtig, weit im Voraus zu wissen, wann welche Investitionen getätigt werden müssen, damit es dann genug flüssige Mittel im Eimer hat. Man kann wenn nötig nachhelfen mit einem Darlehen (Fremdkapital) oder mit einer Erhöhung des Eigenkapitals. Beides lässt zusätzliches Geld in den Eimer fliessen, um die Rechnungen bezahlen zu können.

Zwei Kennzahlen zu Capex sind:

  1. CAPEX-Quote
    Formel: CAPEX / Umsatz
    Bedeutung: Zeigt, wie investitionsintensiv das Unternehmen ist. Hohe Werte deuten auf starken Investitionsbedarf oder Wachstum hin.

  2. Investitionsdeckungsgrad
    Formel: Operativer Cashflow / CAPEX
    Bedeutung: Gibt an, inwieweit Investitionen aus dem operativen Geschäft finanziert werden können. Ein Wert über 1 ist langfristig wünschenswert.

REVEX – die direkten Kosten

Was muss nur bezahlt werden, wenn etwas verkauft wurde? Die Mehrwertsteuer ist das beste Beispiel. Der direkte Produktions- und Vertriebsaufwand gehören mit dazu. Auch Materialaufwand, Verkaufsprovisionen, Verpackung, Porto, direkte Verkaufsspesen und so. Was an Lager bleibt, bleibt im Betriebs- oder Investitionsaufwand. Nachbestellen muss man nur, wenn abverkauft wurde. Diese Kosten entstehen also nur in direkter Abhängigkeit vom Umsatz.

Wichtige Kennzahlen sind hierzu:

  1. Bruttomarge
    Formel: (Umsatz – REVEX) / Umsatz
    Bedeutung: Zeigt, wie viel vom Umsatz nach Abzug der direkt umsatzabhängigen Kosten übrig bleibt. Je höher, desto profitabler ist das Kerngeschäft.

  2. Deckungsbeitrag
    Formel: Umsatz – REVEX
    Bedeutung: Betrag, der zur Deckung der übrigen Kosten (OPEX, CAPEX, FINEX) und zum Gewinn beiträgt.

FINEX – der Finanzaufwand

Was kostet das Kapital im Unternehmen? Geld hat einen Preis. Zinsen zum Beispiel. Aber auch Kreditkartengebühren, Kontoführungs- und Transaktionsgebühren, Wechselkursverluste und der Aufwand zur Kapitalbeschaffung gehören dazu. Eine Finanzierung zu organisieren kann nämlich teuer sein. Vermittler nehmen eine Erfolgsgebühr für ihre Dienste und die Anwälte für ihren Aufwand.

Auch hierzu gibt es Kennzahlen für ein besseres Gespür:

  1. Zinsdeckungsgrad
    Formel: EBIT / Zinsaufwand
    Bedeutung: Gibt an, wie oft der operative Gewinn (vor Zinsen und Steuern) die Zinskosten deckt. Werte unter 1 sind kritisch.

  2. Fremdkapitalquote
    Formel: Fremdkapital / Gesamtkapital
    Bedeutung: Zeigt, wie hoch der Anteil des Fremdkapitals an der Gesamtfinanzierung ist. Hohe Werte erhöhen das Finanzierungsrisiko.

CASHFLOW

Wieviel Geld durch den Eimer fliesst wird mit dem Cashflow beschrieben. Ist er negativ, dann fliesst mehr durch die Löcher unten raus, als oben reinkommt. Der Wasserstand (Liquidität) sinkt. Ist er positiv, dann fliesst oben mehr rein, als unten abfliesst. Der Wasserstand (Liquidität) steigt. Der Cashflow ist eine Messung der Liquiditätsentwicklung.

Nun macht es in vielen Fällen Sinn, den operativen Geldfluss zu trennen vom Geldfluss der Investitionen und deren Finanzierungen. So richtig arg geht es einem Unternehmen nämlich, wenn operative Kosten bezahlt werden mit dem Geld aus Kapitalzuflüssen. Das passiert bei Startups, Scaleups, während Wachstumssprüngen und in Transformationen bzw. während Sanierungen. Dann braucht es einen langfristigen Plan, wie man aus der misslichen Lage herauskommt und Cashflow positiv wird mit dem operativen Geschäft. Um in angespannten Zeiten als Unternehmen gesund zu bleiben, lohnt es sich, die Liquiditätsentwicklung zu verstehen und zu beobachten.

Deshalb wieder Kennzahlen:

  1. Operativer Cashflow
    Bedeutung: Der aus dem Kerngeschäft generierte Geldfluss, zeigt die Fähigkeit, laufende Ausgaben und Investitionen zu finanzieren.

  2. Free Cashflow
    Formel: Operativer Cashflow – CAPEX
    Bedeutung: Gibt an, wie viel Geld nach Investitionen noch zur Verfügung steht, um Schulden zu tilgen, Dividenden zu zahlen oder Rücklagen zu bilden.

  3. Cash Conversion Cycle (CCC)
    Formel: Forderungslaufzeit + Lagerdauer – Verbindlichkeitenlaufzeit
    Bedeutung: Misst, wie lange Kapital im Umlaufvermögen gebunden ist, bevor es wieder zu Liquidität wird. Ein kurzer CCC ist vorteilhaft.

Der grosse Unterschied zwischen Cashflow und den buchhalterischen Positionen sind die Abgrenzungen. Es gibt in der Buchhaltung Positionen, die KEINEN Geldfluss verursachen, aber die Erfolgsrechnung beeinflussen, z.B. Abschreibungen. Diese sind ergebnisrelevant aber nicht cashrelevant.

Für Unternehmen ist es wichtig, sich in erster Linie auf das vorhandene GELD zu konzentrieren und nicht auf die Buchhaltung. Auch Investoren konzentrieren sich in erster Linie auf den Cashflow, weil dieser letztendlich echten Erfolg ausmacht. 

 

Die Autorin Esther-Mirjam de Boer ist seit 2009 in verschiedenen Verwaltungsräten als Mitglied engagiert. Im Juni 2025 wurde sie zur Verwaltungsratspräsidentin der Mueller AG in Langenthal gewählt. Seit 1884 ist das Unternehmen in Familienhand und wird in 4. Generation vom Besitzer geleitet.
Ihr Finanzwissen hat sich Esther-Mirjam de Boer in ihrer über 20-jährigen unternehmerischen Praxis sowie in gezielten Weiterbildungen angeeignet. Mit ihrer Firma BRAINBOARDS AG leistet sie Executive Search für Geschäftsleitungen und Verwaltungsräte und unterstützt Firmen bei der Weiterentwicklung ihrer Führungsteams und ihrer Personalstrategie.

Danke an Ex-CFO Anja Stubenrauch fürs Lektorat dieses Artikels und die Anregungen zur Anreicherung.

Esther-Mirjam de Boer bei Mueller AG in Langenthal am Mitarbeiteranlass