Die nachfolgende Generation

Die Nachfolge in Familienunternehmen ist ein vielschichtiger Prozess, der weit über finanzielle, rechtliche und steuerliche Fragen hinausgeht und auch den privaten Teil der Familie einbezieht. Die Entscheider im Prozess der Nachfolge sind die aktuellen Besitzerinnen und Besitzer der Firma. Das führt dazu, dass sich das Beratungsökosystem auf deren Perspektive und Bedürfnisse ausgerichtet hat. Die Zukunft des Unternehmens und des Familienvermögens wird jedoch durch die nachfolgende Generation gestaltet und sichergestellt. Ein reflektierter und eigenständiger Weg der jüngeren Generation in die Verantwortung gewährleistet nicht nur den zukünftigen wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens, sondern auch dessen langfristige Anpassungsfähigkeit und kulturelle Kontinuität.

In der Schweiz sind Familienunternehmen das Rückgrat der Wirtschaft. Rund 600’000 Betriebe sind im Handelsregister eingetragen, und gemäss einer PwC-Studie sind etwa 90% dieser Firmen Familienunternehmen. Diese Unternehmen generieren 60% des Bruttoinlandprodukts (BIP) und beschäftigen über drei Millionen Menschen – das entspricht mehr als 60% der gesamten Erwerbstätigen im Land. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, wie zentral Familienunternehmen für die wirtschaftliche Stabilität und den Wohlstand der Schweiz sind. Dennoch stehen gemäss einer Studie von Dun & Bradstreet knapp 15% dieser Unternehmen, also fast 90’000 Betriebe, vor einer noch ungelösten Nachfolgefrage. Besonders betroffen sind kleinere Unternehmen. Im Mittelstand, also bei Firmen mit über 50 Mitarbeitenden, gibt es etwas weniger ungelöste Nachfolgeprobleme, aber auch hier sind es immer noch 7.5%, die eine ungeklärte Zukunft haben.

Die abgebende Generation im Fokus

Nachfolgeberatung ist ein Geschäftsmodell für Banken, Anwaltskanzleien, Wirtschaftsberater, Family Offices und viele spezialisierte Nachfolge-Experten. Der primäre Fokus der Nachfolgeberatung liegt oft auf der abgebenden Generation, also den Unternehmerinnen und Unternehmern, die ihr Unternehmen übergeben wollen oder müssen. Diese Perspektive hat ihre Berechtigung, denn die Unternehmensnachfolge ist für die abgebende Generation ein komplexer und emotionaler Prozess. Oft haben Unternehmerinnen und Unternehmer ihr ganzes Vermögen in der Firma und definieren einen wesentlichen Teil ihrer Identität durch ihre Firma. Der Verlust der unternehmerischen Kontrolle, der Statusverlust und die Angst vor einem unsicheren Lebensabschnitt nach der Übergabe spielen eine grosse Rolle. Hinzu kommen wirtschaftliche und steuerliche Überlegungen, die oft den Rahmen der Entscheidung prägen.

Berater konzentrieren sich deshalb darauf, dieser Generation Lösungen anzubieten, um den Übergang reibungslos und wirtschaftlich sinnvoll zu gestalten. Dazu gehören rechtliche und steuerliche Planungen, der Umgang mit familiären Spannungen sowie die Optimierung von Unternehmenswerten für den Verkaufs- oder Übergabeprozess. Das Ziel ist es, einen geordneten Rückzug zu ermöglichen, ohne dass das Unternehmen darunter leidet.

Blinde Flecke in der Nachfolgeberatung

Die starke Fokussierung auf die abgebende Generation bringt jedoch auch Herausforderungen mit sich. Die nachfolgende Generation – also diejenigen, die das Unternehmen übernehmen sollen – wird oft nur mangelhaft oder eher spät in den Prozess einbezogen. Dies führt zu verschiedenen „blinden Flecken“:

  1. Fehlende Unterstützung für die Nachfolger: Während die abgebende Generation in den Beratungsprozessen umfassend betreut wird, fehlt es oft an unabhängiger Unterstützung für die nachfolgende Generation. Diese stehen nämlich vor ganz eigenen Herausforderungen. Sie müssen ihre eigene Rolle und Respekt in einem bestehenden Unternehmen finden – ein oft unterschätzter Prozess, der intensive Reflexion und persönliche Entwicklung erfordert.
  2. Unternehmerisches Erbe vs. Eigenständigkeit: Viele Nachfolgerinnen und Nachfolger kämpfen mit der Erwartungshaltung der abgebenden Generation. Sie sollen das unternehmerische Erbe weiterführen, doch nicht alle fühlen sich dafür von Anfang an bereit oder sehen ihren Weg darin. Es fehlt häufig an Raum und Unterstützung, um einen eigenständigen, reflektierten Weg in die Nachfolge zu entwickeln, der die individuellen Stärken und Interessen der nachfolgenden Generation berücksichtigt.
  3. Unterschätzte Bedeutung der Unternehmenskultur: Ein weiterer blinder Fleck liegt in der Unternehmenskultur. Oft wird angenommen, dass die Kultur eines Familienunternehmens „mitvererbt“ wird. Doch Unternehmenskultur ist kein statisches Konstrukt. Die neue Generation bringt eigene Werte und Vorstellungen mit, die in den Unternehmensalltag integriert werden müssen, um langfristig erfolgreich und zufrieden zu sein. Hier bedarf es einer Brücke zwischen den Generationen, die oft fehlt oder zu wenig stabil ist.
  4. Spannungen innerhalb der Familie: Nicht selten gibt es innerhalb der Familie unterschiedliche Ansprüche an die Nachfolge. Während die abgebende Generation oft an der Tradition festhalten möchte, will die nachfolgende Generation neue, eigene Wege gehen. Konflikte sind vorprogrammiert, wenn diese Unterschiede nicht aktiv und frühzeitig angesprochen und moderiert werden.
  5. Gerechtigkeit in der nachfolgenden Generation: Nur ein Teil der nachfolgenden Generation übernimmt in der Regel aktive Verantwortung. Ein anderer Teil der nächsten Familiengeneration bleibt unternehmerisch passiv. Allerdings müssen die Eigentümerstrategie und Erbregelung mit allen aus der nachfolgenden Generation vereinbart werden, um zukünftige Konflikte zu vermeiden.

Die nachfolgende Generation

Warum ihre Unterstützung entscheidend ist

Es ist klar, dass die abgebende Generation eine entscheidende Rolle im Nachfolgeprozess spielt, doch die Zukunft des Unternehmens hängt letztlich von der nachfolgenden Generation ab. Deshalb ist es unerlässlich, diesen Generationenwechsel von beiden Seiten her sorgfältig vorzubereiten und zu begleiten. Warum?

  1. Eigenständigkeit und Reflexion fördern: Die nachfolgende Generation steht vor der Herausforderung, in grosse Fussstapfen zu treten. Doch ein bloßes „Weiter so“ ist selten die beste Lösung. Es ist wichtig, dass Nachfolgerinnen und Nachfolger ihre Rolle kritisch hinterfragen und sich darüber klar werden, wie sie das Unternehmen in Zukunft führen wollen. Dies kann nur gelingen, wenn sie Raum zur Reflexion und Weiterentwicklung bekommen – und nicht einfach nur in die bestehenden Strukturen hineingepresst werden. Ein reflektierter Nachfolgeprozess ermöglicht es der nachfolgenden Generation, eigenständige Entscheidungen zu treffen und gleichzeitig das unternehmerische Erbe zu respektieren.
  2. Neue Perspektiven in der Unternehmensführung: Jede Generation bringt neue Ideen, Technologien und Marktverständnisse mit. Diese Perspektiven sind entscheidend, um das Unternehmen zukunftsfähig zu erhalten. Die nachfolgende Generation ist näher an aktuellen Trends und hat oft ein besseres Verständnis für die Bedürfnisse der modernen Arbeitswelt. Deshalb sollte sie aktiv in die strategische Planung einbezogen werden. Das gelingt oft besser, wenn die Generationenvielfalt auf allen Ebenen sowie in der Führungskultur im Unternehmen aktiv gepflegt wird.
  3. Unternehmerische Resilienz und Anpassungsfähigkeit: Ein Familienunternehmen ist nicht nur ein wirtschaftlicher Betrieb, sondern auch eine emotionale und soziale Einheit. Eine erfolgreiche Nachfolge sichert nicht nur die finanzielle Zukunft des Unternehmens, sondern auch die Kontinuität der familiären Werte und des Zusammenhalts. Dazu gehört jedoch, dass die neue Generation in ihrer Unternehmerpersönlichkeit gestärkt wird. Nur wenn sie sich ihrer eigenen Eigenschaften, Fähigkeiten, Werte und Grenzen bewusst ist, kann sie das Unternehmen resilient durch zukünftige Herausforderungen führen.
  4. Langfristige Planung und Stabilität: Die aktuelle Nachfolgesituation in der Schweiz zeigt, wie dringend dieses Thema ist. Fast 90’000 Unternehmen stehen vor einer ungewissen Zukunft, weil die Nachfolge ungeklärt ist. Eine frühzeitige Einbindung und Unterstützung der nachfolgenden Generation kann helfen, diese Unsicherheit zu reduzieren und langfristige Stabilität zu schaffen.

Perspektivenwechsel in der Nachfolge

Eine Befragung von KMU durch PwC ergab, dass 59% der Familienunternehmen eine familieninterne Nachfolge des Firmeneigentums und der operativen Leitung planen, allerdings sind nur bei 31% die davon Betroffenen  – die nachfolgende Generation – in den Prozess einbezogen.  Der Nichteinbezug der nächsten Generation ist ein unnötiges Risiko, das die Nachfolge gefährdet. 

Die Nachfolge in Familienunternehmen ist ein vielschichtiger Prozess, der weit über finanzielle, rechtliche und steuerliche Fragen hinausgeht und auch den privaten Teil der Familie einbezieht. Die Entscheider im Prozess der Nachfolge sind die aktuellen Besitzerinnen und Besitzer der Firma. Das führt dazu, dass sich das Beratungsökosystem auf deren Perspektive und Bedürfnisse ausgerichtet hat. Die Zukunft des Unternehmens und des Familienvermögens wird jedoch durch die nachfolgende Generation gestaltet und sichergestellt. Ein reflektierter und eigenständiger Weg der jüngeren Generation in die Verantwortung gewährleistet nicht nur den zukünftigen wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens, sondern auch dessen langfristige Anpassungsfähigkeit .

Die aktive Generation in Familienunternehmen, die ihrer nachfolgenden Generation frühzeitig ermöglicht, ihren eigenständigen Weg zu finden und einen reflektierten Entscheid über den zukünftigen Schritt in die operative Verantwortung zu treffen, leisten einen mutigen und wertvollen Beitrag für die Fortbestand ihres Unternehmens.

Mit der Entwicklungsreise für die nachfolgende Generation bieten wir ein unabhängiges Entwicklungsprogramm an, das der jüngeren Generation ermöglicht, einen individuell stimmigen Weg zu finden und belastbare Entscheide zu fällen. Das Programm wird in kleinen Gruppen durchgeführt, die nach Ablauf professionelle Freundeskreise bilden. Die Teilnehmenden lernen zusammen mit Vertrauten systematisch zu reflektieren und sich von anderen Menschen in vergleichbaren Rollen beraten zu lassen. Nach Abschluss des Programmes bildet die Gruppe ein geeignetes Netzwerk für die gegenseitige Unterstützung auf dem weiteren Weg in die Verantwortung.

LINK zum ausführlichen Programmbeschrieb

Die Programmleitung der Entwicklungsreise für die nachfolgende Generation besteht aus zwei erfahrenen Persönlichkeiten:

Daniel Kertész ist langjähriger Familienunternehmer, Autor, Mediator und Experte für Family Governance. Er berät und begleitet namhafte Unternehmer und Unternehmerfamilien der Schweiz und international beim Aufbau von Strategien und Strukturen ihrer Familien. In seinem Buch „Family Mind: Die Überwindung des Drei-Generationen-Mythos“ zeigt er auf, wie Unternehmerfamilien Visionen, Werte und Ziele entwickeln können, um ihr Erbe zu bewahren und nachhaltigen, generationenübergreifenden Erfolg zu sichern.

Esther-Mirjam de Boer ist seit über 20 Jahren eine prägende Kraft in der Welt der Strategie und Leadership. Als erfahrene Expertin für Führungskräfte- und Teamentwicklung unterstützt sie Verwaltungsräte und Geschäftsleitungen dabei, ihr volles Potenzial zu entfalten. Mit Empathie für die Herausforderungen in der Unternehmensführung setzt sie massgeschneiderte Programme um, die nachhaltige Wirkung erzielen. Sie ist mehrfache Unternehmensgründerin, hat Firmen übernommen, engagiert sich seit 15 Jahren in einem Portfolio von Verwaltungsräten und steht Unternehmerinnen und Unternehmern in schwierigen Zeiten zur Seite.

Quelle: Dun & Bradstreet Studie KMU Nachfolge Schweiz 2022

Quelle: PwC Family Business Studie Schweiz 2019