Die Planung und Umsetzung von KI-Projekten durch die Geschäftsleitung (GL) müssen vom Verwaltungsrat (VR) überwacht werden. Erfolgreiche Projekte brauchen einerseits ein Experimentierfeld, in dem Chancen erkannt werden können, und anderseits müssen neue Instrumente definiert werden, mit denen man die Risiken kontrolliert.
Das hier vorgestellte Modell soll Verwaltungsrätinnen und Verwaltungsräten im Übergang von der Digital Transformation zur AI Transformation beim Navigieren helfen. Es bedient drei Ebenen – Strategie, Kontrolle, Arbeitsalltag – sowie vier Anwendungsbereiche – Marktposition, Prozesse, Personal, Investitionen. In dieser Matrix soll sich der VR jeweils mit den Chancen, Risiken und Kennzahlen befassen. Anhand von vier anonymisierten Unternehmen und deren Projekten wird die Anwendung des Modells im Folgenden erklärt.

Grundlegende Veränderungen wie neue Technologien eröffnen Chancen für grosse Verschiebungen im Markt. Bereits die Digitalisierung hat dazu geführt, dass sich Marktpositionen erheblich verändert haben: Unternehmen mit einer ambitionierten Strategie konnten Marktanteile gewinnen, während sich für etablierte Unternehmen, die mitunter zu langsam agierten, die Umstände verschlechtert haben. KI schafft eine vergleichbare Situation, in der Kundinnen und Kunden signifikante Unterschiede feststellen werden zwischen Produkten und Dienstleistungen, die entweder konsequent auf KI ausgerichtet sind oder nicht. Zur Aufgabe und Verantwortung in VR gehören deshalb strategische Überlegungen zur Integration von KI und ihre Auswirkung auf Marktchancen, Geschäftsmodelle, Produkte und Vertriebskanäle.
Projekt: AI Chatbot für die Interaktion mit Kundinnen und Kunden
Das grosse Interesse an Werkzeugen wie ChatGPT oder Midjourney hat dazu geführt, dass KI häufig mit Generative AI d.h. dem Generieren von Text und anderen Inhalten gleichgesetzt wird. Deshalb sollte der VR bei Bedarf die GL daran erinnern, dass es mit Predictive AI ein weiteres Einsatzgebiet für KI gibt, das genauso viel Potenzial hat. Sie kommt zum Beispiel für Prozesse zum Einsatz, in denen es hilfreich ist, frühzeitig und präzise jene Muster zu erkennen, die auf Fehler hindeuten.
Projekt: Predictive AI für die Qualitätskontrolle
KI setzt viel menschliche Expertise voraus, die man entweder im Unternehmen aufbauen kann oder von ausserhalb rekrutieren muss. Es gehört zur Rolle des VR, dass er diese beiden Optionen vergleicht. Operativ muss die GL danach entscheiden, wie die notwendigen Kenntnisse vermittelt und getestet werden.
Projekt: AI Learning Journey im Intranet
Für Unternehmen wie Microsoft oder Google eröffnet KI neue lukrative Geschäftsfelder. Sie können nicht nur damit rechnen, dass viele Unternehmen hohe Investitionen tätigen werden, sondern sie werden ebenso über viel Marktmacht verfügen. In Diskussionen über Investitionen sollte der VR die GL daran erinnern, dass Open Source eine Option bietet, mit der man sich den Abhängigkeiten von Grossunternehmen entziehen kann.
Projekt: A/B-Tests mit Open Source Large Language Models (LLM)
Die Beispiele zeigen, dass der VR in KI-Projekten eine entscheidende Rolle hat mit Blick auf den Umgang mit Chancen, Risiken und Kennzahlen. Verglichen mit der GL, die vom Arbeitsalltag absorbiert ist, fällt es aus strategischer Sicht leichter, den kurzfristigen Hype von nachhaltigen Veränderungen zu unterscheiden. Diesbezüglich gibt es viele Parallelen zwischen der AI Transformation und der Digital Transformation, sodass der VR von Erfahrungen und Einschätzungen in den zurückliegenden Jahren profitieren kann. Gleichzeitig müssen sich Verwaltungsrätinnen und Verwaltungsräte bewusst sein, dass KI den Kontext fundamental verändert und sich ihre Expertise dementsprechend weiterentwickeln muss.

Der Autor Christoph Hess ist Gründer und Geschäftsleiter von CPLTS, das nach eigenen Angaben schweizweit erste “AI Transformation Studio”. Die Anwendungsbeispiele im Artikel stammen aus seiner eigenen Beratungserfahrung.
