Wie ist die Stimmung in ihren Verwaltungsratssitzungen? Kommt der CEO, rapportiert Ergebnisse und erklärt, er habe alles im Griff – oder traut er sich, mit seinen Verwaltungsräten auch offene Fragen und schwierige Themen zu diskutieren? Welche Rolle spielt das Präsidium dabei? Sind alle Traktanden schon vorbesprochen und vorgespurt oder hat das Verwaltungsratsteam eine echte Aufsichts- und Beratungsfunktion? Wie viel Teamleistung entsteht in ihrem Verwaltungsrat?
Stellen Sie sich vor, Sie coachen die Schweizerische Fussball-Nationalmannschaft. Sie besteht aus den besten Spielern oder Spielerinnen im Land. Glauben Sie, dass diese ohne Training und Teamgeist Spitzenleistungen erbringen können, nur weil sie die Besten sind? Nein, natürlich nicht. Selbst die besten Spieler müssen einander gut kennen, zusammenspielen und vertrauen lernen, um eine gute Mannschaftsleistung zu erbringen.
So verhält es sich auch mit Verwaltungsräten.
Board Dynamics – eine Frage der Team-Kultur
Die meisten Verwaltungsräte treffen sich seltener als einmal im Monat zu geregelten Sitzungen. Dann müssen Entscheide gefällt und Weichen gestellt werden. Es bleibt oft wenig Zeit für ausführliche Gespräche. Auf den ersten Blick mag man meinen, in einem solchen strategischen Gremium, das Sachgeschäfte steuert, sei die Kultur des Umgangs miteinander nicht so wichtig. Doch es ist entscheidend zu verstehen, dass jede Form von Umgang eine Kultur darstellt, die eine Vorbildrolle und Folgen für das Unternehmen hat. Es lohnt sich, die Zusammenarbeitskultur – auch Board Dynamics genannt – regelmässig bewusst zu evaluieren und zu pflegen.
Folgende Kriterien bilden das Fundament für eine effektive Arbeitskultur im Verwaltungsrat und ermöglichen es dem Gremium, seiner Verantwortung für die strategische Führung und Kontrolle des Unternehmens bestmöglich nachzukommen.
Entscheidungsfindung
Eine offene, interessierte Haltung fördert konstruktive Diskussionen. Dies ermöglicht es dem Verwaltungsrat, komplexe Themen gründlich zu erörtern und fundierte Entscheidungen zu treffen. In einer Atmosphäre des gegenseitigen Respekts und Vertrauens fühlen sich die Mitglieder sicher, auch kontroverse Standpunkte zu äussern, was zu einer umfassenderen Betrachtung von Problemen führt.
Informationsfluss
Eine transparente Kommunikationskultur verbessert den Informationsaustausch zwischen den Verwaltungsratsmitgliedern sowie zwischen Verwaltungsrat und Geschäftsleitung. Dies stellt sicher, dass alle Beteiligten über die notwendigen Informationen verfügen, um ihre Aufgaben effektiv wahrzunehmen.
Nutzung von Expertise
In einem Umfeld, das die Vielfalt und unterschiedliche Perspektiven wertschätzt, können die verschiedenen Erfahrungen und Fähigkeiten der Verwaltungsratsmitglieder optimal genutzt werden. Dies führt zu einer breiteren Wissensbasis und stabileren Lösungsansätzen.
Konfliktmanagement
Eine gesunde Kultur des Umganges – auch unter dem Begriff «psychologische Sicherheit» bekannt – ermöglicht es dem Verwaltungsrat, Meinungsverschiedenheiten konstruktiv zu handhaben. Anstatt Konflikte zu vermeiden oder zu eskalieren, können sie als Chance für Verbesserung und Innovation genutzt werden.
Effizienz der Sitzungen
Eine respektvolle und fokussierte Sitzungskultur trägt dazu bei, dass Verwaltungsratssitzungen effizient ablaufen. Zeit wird optimal genutzt, Diskussionen bleiben zielgerichtet und Entscheidungen werden zeitnah getroffen.
Kontinuierliche Verbesserung
Eine Kultur, die offenes Feedback und Selbstreflexion fördert, ermöglicht es dem Verwaltungsrat, sich kontinuierlich zu verbessern. Regelmässige Evaluationen der Board Dynamics können dazu beitragen, Schwachstellen zu identifizieren und die Effektivität des Gremiums stetig zu steigern.
Team-Kultur bewusst prüfen
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine positive Team-Kultur im Verwaltungsrat nicht nur das Arbeitsklima verbessert, sondern auch direkt zur Steigerung der Effektivität und Leistungsfähigkeit des Gremiums beiträgt. Sie ist ein wesentlicher Faktor für gute Corporate Governance und den langfristigen Erfolg des Unternehmens. Deshalb sollte sie alle zwei bis drei Jahre überprüft werden. Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten:
Selbstevaluation des Verwaltungsrats
Regelmässige Selbstevaluierungen durch anonyme Fragebögen ermöglichen es den Verwaltungsratsmitgliedern, ehrliches Feedback zur Team-Kultur des Gremiums zu geben. Dabei sollten Bereiche wie Kommunikation, Entscheidungsprozesse und Governance-Themen abgedeckt werden. Die Auswertung kann durch Externe erfolgen, wenn hohen Wert auf die Anonymität gelegt wird.
Externe Evaluierung
Die Beauftragung unabhängiger Berater für eine objektive Bewertung der Arbeitskultur im Verwaltungsrat kann wertvolle Erkenntnisse liefern. Externe Evaluatoren nutzen oft eine Kombination aus Interviews, Umfragen und Dokumentenprüfungen.
Peer-Evaluierung
Gegenseitige Bewertungen der Verwaltungsratsmitglieder fördern offene Kommunikation und gegenseitiges Lernen. Diese Methode hilft, Stärken und Verbesserungspotenziale der einzelnen Mitglieder zu identifizieren. Die direkte gegenseitige Bewertung gilt aber auch als konfrontativ und löst in machen Teams Widerstände aus.
Beobachtung der Sitzungsdynamik
Die Analyse der Interaktionen, Diskussionen und Entscheidungsprozesse während der Verwaltungsratssitzungen kann wertvolle Einblicke in die Zusammenarbeitskultur liefern.
Strukturierte Bewertung der Board Dynamics
Eine gezielte Untersuchung der zwischenmenschlichen und professionellen Dynamiken im Verwaltungsrat sowie zwischen Verwaltungsrat und Management ist entscheidend. Hierbei sollte bewertet werden, ob Diskussionen von Offenheit und Respekt geprägt sind und wie konstruktiv mit Meinungsverschiedenheiten umgegangen wird.
Durch die Kombination dieser Methoden kann eine umfassende und aussagekräftige Bewertung der Zusammenarbeit im Verwaltungsrat erreicht werden. Es ist wichtig, die Ergebnisse sorgfältig zu analysieren und daraus konkrete Massnahmen zur Verbesserung abzuleiten.
Beispiele für Fragen im Rahmen einer Evaluation im Verwaltungsrat
- Wie gut werden sogenannt «dumme Fragen» (das Offensichtliche, von dem jeder annimmt, alle anderen wissen die Antwort) im Team ernstgenommen und beantwortet?
- Inwiefern trauen sich die Mitglieder, vermeintlich «dumme Fragen» zu stellen?
- Wie konstruktiv geht das Team mit unterschiedlichen Meinungen und Widerrede um?
- Inwiefern trauen sich die Mitglieder ihre anderslautende Meinung offen einzubringen?
- Wie gut regt die Sitzungsleitung alle Teilnehmenden zur Reflektion und zu eigenen Beiträgen an?
- Inwiefern gelingt es der Sitzungsleitung das Team jeweils zum verbindlichen Konsens zu führen?
- Inwiefern trauen sich Mitglieder «heisse Eisen» anzusprechen?
- Wie konstruktiv werden «heisse Eisen» im Team ernstgenommen und bearbeitet?
- Wie hoch ist das Risiko, dass dem Verwaltungsrat etwas Wichtiges im Geschäft entgeht?
- Inwiefern lässt die Geschäftsführung den Verwaltungsrat hinter die Kulissen blicken?
- Inwiefern traut sich die Geschäftsführung, dem Verwaltungsrat gegenüber Missstände, Fehler und Probleme anzusprechen?
- Inwiefern ist es den Mitgliedern im Verwaltungsrat erlaubt, direkte, offene Gespräche mit Mitgliedern aus der Geschäftsleitung zu führen?
- Inwiefern treten Mitglieder im Verwaltungsrat sowie Mitglieder aus der Geschäftsleitung in entscheidenden Momenten direkt miteinander in Kontakt?
- Inwiefern werden wichtige Themen aus Angst vor Sanktionen (Herabsetzung, Ignorieren, Zurechtweisen etc.) NICHT angesprochen?
Wichtig sind zudem einige Hygienefaktoren:
- Kommen alle rechtzeitig zur Sitzung?
- Werden die geplanten Zeiten in der Regel eingehalten?
- Sind die Unterlagen rechtzeitig eingetroffen?
- Haben sich alle vorbereitet?
- Erlauben die Unterlagen eine solide Meinungsbildung?
- Kommen alle ihrer Rolle und dem Thema angemessen zu Wort?
- Wie relevant sind die Inhalte der Viel-Redner?
- Sind die Honorare transparent und gerecht verteilt?
- Sind alle Mitglieder für die Verwaltungsratstätigkeit ausreichend qualifiziert?
- Werden die Themen und Prioritäten richtig gesetzt?
Sollten Sie für Ihr Gremium eine unabhängige Evaluation oder eine gezielte Team-Entwicklung wünschen, setzen wir diese gerne für Sie um. Wir haben Erfahrung mit börsenkotierten und internationalen Unternehmen, Organisationen der öffentlichen Hand, Gremien mit hohen Reputationsrisiken, wie auch mit mittelgrossen und kleinen Firmen.
Zur Evaluation gehören neben den Board Dynamics natürlich auch Fragen zur geeigneten Zusammensetzung bezüglich der Strategieumsetzung und die Beurteilung der Wirkung des Verwaltungsrates im Hinblick auf die gesetzliche Verantwortung sowie für die Unternehmensentwicklung und Erfolg.
Esther-Mirjam de Boer ist eine versierte Unternehmerin und Strategin mit über 20 Jahren Erfahrung in den Bereichen Strategie, Führung und Kooperation. Als geschäftsführende Teilhaberin der BRAINBOARDS AG unterstützt sie Firmeninhaber, Verwaltungsräte und CEOs bei der Optimierung ihrer Führungsstrukturen und -kulturen.
Esther-Mirjam de Boer zeichnet sich durch ihre analytische Schärfe, ihren unternehmerischen Geist und ihre Fähigkeit aus, auch in komplexen Situationen klare Strategien zu entwickeln und handlungsfähig zu bleiben. Ihr Engagement für Vielfalt und ihre Erfahrung in der Überwindung von Krisen machen sie zu einer wertvollen Bereicherung für Verwaltungsräte, die zukunftsorientiert und resilient agieren wollen.