Firmenverkauf – der Change schlechthin

Ein Firmenverkauf als Nachfolgeregelung kann eine grosse Chance für ein Unternehmen bedeuten, wenn die Veränderungen gut geführt werden. Verwaltungsräte und Geschäftsleitungen bilden dabei gleichzeitig das grösste Klumpenrisiko UND sind die wichtigsten Ressourcen für die Veränderung. Ein Beispiel aus dem Beratungsalltag.

Der Gründer und CEO eines mittelständischen Unternehmens verkaufte seine Firma nach 40 Jahren an eine Investorengruppe. Diese setzten einen externen CEO an die Spitze, um die 400 Mitarbeitenden in Zukunft zu führen und die 80 Mio. Umsatz der Firma zu steigern. Der neue CEO leitete einen Strategieprozess ein, um einen gemeinsamen Plan zu entwickeln, wie die sportlichen Ziele erreicht werden sollten.

Widerstand gegen die Veränderung

Damit stiess er bei seinen Geschäftsführungskollegen allerdings auf Unverständnis und Widerstand. Warum? Die drei Geschäftsführungskollegen berichteten voller Stolz, dass es ihnen bislang gelungen war, ihr Unternehmen auch ohne strategische Methoden erfolgreich zu führen. Zwar hatte der Unternehmensgründer durchaus aktiv Wachstum verfolgt, jedoch indem er jede sich bietende Marktchance opportunistisch nutzte, um dem Wettbewerb zuvorzukommen. Er hatte die anderen Mitglieder der Geschäftsleitung dabei nicht einbezogen – im Gegenteil. Er hatte sie regelrecht davon abgehalten, eigene strategische Anregungen und Aktivitäten beizutragen und mit dem Bonmot abgetan „wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen“.

„wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen“

Was sich humorvoll anhören sollte, brachte ein altes Denk- und Verhaltensmuster des Unternehmens zum Ausdruck, das sich nun als Hürde für die Weiterentwicklung erwies. Bis zum Verkauf wurde das opportunistische Agieren des Gründers nie hinterfragt. Als danach die Erwartungen der Investoren echtes strategisches Arbeiten der Geschäftsleitung erforderten, musste das ganze Kollegium dazu bewegt werden, bisherige Denkstrukturen abzulegen und das Verhalten zu verändern. Change also.

Glaubenssätze hinterfragen

Dabei ging es zum Beispiel um die Frage: was bedeutet der im Eingangsbereich des Unternehmens präsentierte Leitsatz „Die Konkurrenz schläft nicht, aber wir stehen früher auf“? Er wurde bislang so ausgelegt, dass die Priorität darauf lag, schneller als die Konkurrenz Produkte zu entwickeln und zu vermarkten, statt sich mit den längerfristigen Perspektiven wie z. B. den Produkt- und Markttrends auseinanderzusetzen.

Der Geschäftsleitung wurde schliesslich durch den Change-Prozess bewusst, warum es Sinn macht, sich künftig mit Strategien und Visionen zu beschäftigen. Sie erkannten die vielen Widersprüche zwischen den propagierten Werten und der tatsächlichen Situation des Unternehmens. Die bisherige anti-strategische Haltung wurde ab da von den meisten Geschäftsführern als Gefahr für die Entwicklung des Unternehmens erkannt. Darüber hinaus war der Geschäftsführung die kontraproduktive Wirkung einiger der „Glaubenssätze“ und Leitlinien für die künftige Aufstellung ihres Unternehmens klar geworden und wie wichtig es sein würde, diese auch in Zukunft zu hinterfragen und den Erfordernissen anzupassen.

Rückendeckung für die “Change Agents”

Im besten Fall ist ein neuer, externer CEO alleine in der Lage, einen solch fundamentalen Kulturwandel in der obersten Führungsebene in kurzer Zeit anzuleiten. Das ist jedoch nicht die Regel und geht mit dem Risiko einher, wichtige Mitarbeitende zu verlieren. Es liegt mitunter in der Verantwortung des Verwaltungsrates, das gefährliche Konfliktpotenzial einer Nachfolge-Situation frühzeitig zu erkennen und geeignete Partner und Ressourcen zur Verfügung zu stellen, die die Veränderung begleiten und annehmbar gestalten.

Dr. Tim Veil

Dr. Tim Veil ist erfahrener Top Manager in  grossen mittelständischen Familienunternehmen.  Mit seiner Firma Dr. Veil und Partner in Süddeutschland berät er insbesondere eigentümergeführte Unternehmen in Veränderungsprozessen.