Selbstverantwortung und Ersetzbarkeit 

Wann ist es an der Zeit, den eigenen Platz im Verwaltungsrat freizugeben? Jetzt ist ein guter Zeitpunkt sich als langjähriges Mitglied in einem Verwaltungsrat darüber Gedanken zu machen. Es bleiben noch ein ganzes Jahr oder mehr für eine gelingende Nachfolge. In einem Verwaltungsrat ist das eigene Ablaufdatum vor allem eine Sache der Selbstverantwortung.

Gute Verwaltungsratspräsidien sorgen aktiv für eine langfristige Nachfolgeplanung im Verwaltungsrat und der Geschäftsleitung. Wenn jemand in einer Schlüsselrolle ausfällt, dann sollte jederzeit klar sein, wer die unerwartete Vakanz ausfüllt. Erst das Vakuum hinter der Stellvertretung sollte allenfalls einen Rekrutierungsprozess auslösen. Das Thema Nachfolge und Stellvertretung gehören standardmässig einmal jährlich auf die Verwaltungsratsagenda. Es wird am besten direkt nach der Generalversammlung traktandiert, um genug Zeit für eine langfristige Planung und sorgfältige Suchprozesse bis zur nächsten GV zu haben. 

Die Nachfolgeplanung und Stellvertreterregelung gehören zu einem guten Risikomanagement. Je weniger jemand in einem Gremium sofort ersetzbar ist, desto höher ist das Risiko fürs Unternehmen.  

Doch gerade in Verwaltungsräten ist die Scheu oft gross, um über Ersetzbarkeit, Stellvertretung und Nachfolge zu sprechen. Die Verwaltungsratsrolle ist weiterhin verknüpft mit einem Verständnis für Ehre und Status, die man ungern jemandem wegnimmt. Das Gespräch darüber wird deshalb gern vermieden. Dabei wäre es ein Zeichen verantwortungsvoller Führungskultur, ein pragmatisches, sachliches Verhältnis zur laufenden personellen Erneuerung und optimalen Team-Zusammensetzung zu pflegen. 

Wer bricht das Eis? 

Ich bin selbst Mitglied in fünf Verwaltungsräten. In den vergangenen Jahren habe ich verschiedenen Präsidenten meinen Rücktritt in Aussicht gestellt. Warum? Weil ich wollte, dass wir langfristig über die richtige Zusammensetzung und Nachfolge im Verwaltungsrat sprechen. In einigen Gremien bin ich mit Mitte 50 die Jüngste, bzw. die Dienstjüngste. Deshalb habe ich angeboten, noch zwischen ein und fünf Jahren zu bleiben. Dieser lange Horizont hat ein Gespräch darüber angeregt, welche Ressourcen und Beitragsfähigkeiten im jeweiligen Rat redundant sind oder fehlen und wer vor mir gehen möchte. In einem Fall stellte sich heraus, dass zwei meiner Kollegen eigentlich austreten möchten und der Eigentümer bat mich schliesslich länger zu bleiben.  

Der Appell an die Selbstverantwortung hatte bei einigen unserer Kunden leider unerwünschte Wirkung. Nämlich, wenn die Ältesten im Team nicht merkten, dass es an Ihnen wäre, ihr eigenes Ablaufdatum bekanntzugeben. Ein externer Evaluationsprozess mit Einzelinterviews kann dabei wertvolle Dienste leisten. Im 1:1 Interview können Fragen zur eigenen Lebensplanung einfacher erörtert werden als im Plenum. 

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Autorin: Esther-Mirjam de Boer