Rekrutierung: ausschreiben oder aktiv suchen? 

Auf die öffentliche Ausschreibung einer Verwaltungsratsvakanz bewerben sich nach Angabe betroffener Firmen 70 bis 200 Personen. Das ist eine Menge an Daten, die man kaum mit vernünftigem Aufwand sorgfältig bearbeiten kann. Weder als Vorsitzende:r eines Nominationsausschusses noch als Executive Search Dienstleister sind so viele Bewerbungen mit der gebührenden Sorgfalt und angemessenem Aufwand bewältigbar.

Zur Vorselektion eines Dossier-Berges greifen sowohl Beratungsfirmen wie auch Personalabteilungen zu einer ersten groben Triage. Dabei wird das Prinzip «Fit-to-profile» als Auswahlkriterium angewandt, das innert Sekunden zum Entscheid führt, ob das Dossier weiter beachtet oder gleich abgewiesen wird. 

Stimmen Ausbildung, Seniorität, aktuelle Funktion sowie die spontanen Vermutungen und Interpretationen der vorselektierenden Person mit dem ausgeschriebenen Profil überein, dann erfolgt eine genauere Prüfung. Passt das Dossier danach immer noch durch die Schablone des ausgeschriebenen Profils, dann wird die Kandidatin oder der Kandidat wahrscheinlich zum Interview eingeladen. 

Problem: Selbstdeklaration

Einschlägige Studien haben ergeben, dass 60% der Erwerbstätigen bei den Angaben in ihren Lebensläufen schummeln. Wer diese Veranlagung hat, wird sich bei einer Bewerbung um ein angesehenes Mandat in einem Verwaltungsrat sicher Mühe geben, im besten Licht zu erscheinen und seine Passung für das ausgeschriebene Profil optimieren. Ehrlicher und selbstkritischer veranlagte Menschen vertrauen hingegen auf die Seriosität der ausschreibenden Firma und dass diese ihre Qualifikationen in ihrer Gesamtheit einschätzen – mit dem Risiko, dass ihr Profil nicht so richtig durch die Schablone passt und sie vorzeitig vom Radar fallen. 

Aus der Forschung in Personalwirtschaft weiss man, dass Lebensläufe alleine keine ausreichend vergleichbare und belastbare Entscheidungsgrundlage für gute Personalentscheide bilden. Insbesondere für Verwaltungsräte, die sich nur wenige Male pro Jahr treffen und deren Mitglieder sich mit geringen Informationen ein möglichst gutes Bild der Lage und erforderlicher Handlungen machen müssen, sind Persönlichkeitseigenschaften wie allgemeine Intelligenz, die Fähigkeit zu Perspektivenwechsel und Kooperation entscheidend für die Beitragsfähigkeit. Diese lassen sich nicht aus einem Bewerbungsdossier herauslesen. 

schwache Personalentscheide vermeiden

Wie können Verwaltungsräte das Risiko schwacher Personalentscheide besser managen? Das Schlüsselwort heisst Active Search. Es spielt dabei keine Rolle, ob der Verwaltungsrat selbst oder ein Executive Search Partner eine langfristige Talent-Pipeline kuratiert und pflegt. Wichtig ist dabei vor allem, dass eine Wunschliste darüber geführt wird, welche Profile (man beachte bitte die Mehrzahl) einen Mehrwert für die Verwaltungsrats-Arbeit der Firma bieten würden.  

Dafür braucht es ein aktives Bewusstsein über relevante zukünftige Entwicklungen und Herausforderungen sowie über die aktuelle Zusammensetzung und Zusammenarbeitskultur des Gremiums. 

In unserer Arbeit begegnen wir oft Kunden, die sich scheuen, potenzielle Verwaltungsräte in Konkurrenz mit anderen eine Weile «warm zu halten». Doch gerade diese Phase der Unverbindlichkeit ist ein interessanter und unterschätzter Persönlichkeitsfilter: der Eitelkeitsfilter. 

Esther-Mirjam de Boer.

Brainboards AG