Digitale Transformation im Personalwesen

Die Stadt Zürich hat eine Chance verpasst, als moderne Arbeitgeberin auf ein Instrument zu setzen, das tatsächlich wirksam ist für die Gleichstellung und ihr als Arbeitgeberin nützt, mit dem Fachkräftemangel besser umzugehen. Ein Hintergrundbericht zu anonymisierten Bewerbungsverfahren und anderen verhaltensökonomischen Instrumenten.

Vor zwei Jahren hat der Stadtzürcher FDP-Präsident Përparim Avdili zusammen mit seiner Parteikollegin Isabel Garcia mit einem Postulat im Zürcher Gemeinderat angeregt, dass die Stadtbehörden in Zukunft anonymisierte Bewerbungen für die Vorselektion nutzen sollten, um die Anstellungschancen aller Bewerbungen qualifikationsgerecht auszugleichen. Im Mai 2023 hat die Finanzkommission das Anliegen abgelehnt. Sie tat dies mit der Begründung, es sei zu teuer und zu kompliziert umzusetzen.

Die Anonymisierung von Bewerbungen ist nachweislich ein wirksames Instrument. Warum wirksame verhaltensökonomische Instrumente für Unternehmen weit über die Gleichstellung hinaus zunehmend relevanter werden, erklärt Esther-Mirjam de Boer in einem Radiointerview sowie als Wochengast im Regionaljournal Zürich/Schaffhausen.

Die Zahl der in der Schweiz wohnhaften Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter sinkt. In den kommenden Jahren verschärfen sich einige Herausforderungen für Arbeitgeber und es werden jene erfolgreicher sein, die sich geschickt Vorteile verschaffen bei der Rekrutierung sowie beim Halten und Befördern von geeigneten Menschen. Eine ungeeignete Personalstrategie und Firmenkultur könnten zum entscheidenden Risikofaktor für Unternehmen werden. 

Die öffentlichen Diskussionen um Vielfalt und Inklusion wirken zunehmend aufgeheizt und emotional. Darüber könnte vergessen gehen, dass die Durchmischung die Resilienz und die Arbeitsmarktattraktivität von Unternehmen steigert. Es gibt darüber hinaus handfeste Gründe, um sich spätestens jetzt mit der digitalen Transformation im HR zu beschäftigen:

Datenschutz

Am 01.09.2023 tritt ein Europäisches Datenschutzgesetz in Kraft, das das Führen einer externen Bewerbungs-Pipeline sowie das Aufbewahren von Bewerbungs-Dossiers für spätere Direktansprachen weiter einschränkt. Der professionelle Umgang mit Lebensläufen, Zeugnissen und privaten Kontaktdaten von interessierten Bewerberinnen und Bewerbern wird anspruchsvoller. Arbeitgeber müssen eine HR-Daten-Strategie entwickeln, die das Finden und Binden guter Fachkräfte sicherstellt und gleichzeitig moderneren Datenschutzanforderungen genügt. Die meiste Bewerber-Software im Markt ist dafür noch nicht ganz fit. Wenn also ohnehin Veränderungen an der Software-Infrastruktur und der Datenstrategie anstehen, macht es Sinn, andere wirksame und/oder notwendige Anpassungen mit zu berücksichtigen.

Qualifikation im Fokus

Alle Arbeitgeber behaupten, sie wollen die besten Leute für die Arbeit und das Unternehmen. Dabei setzen die meisten auf Selbstdeklarationen über Ausbildung und Werdegang als Hauptinformationsquelle bei der Beurteilung. Das machen sich Blender zum Vorteil. Rund 60% der Bewerbungsdossiers enthalten Unwahrheiten. Testergebnisse und Verhaltensdaten aus spielerisch aufgebauten Bewerbungsplattformen liefern wertvolle Zusatzinformationen über die Persönlichkeit und Integrität einer Person. Wer demografische Störinformationen weglässt und wertvolle Zusatzinformationen ergänzt, fällt bessere Personalentscheide.

Vorselektion oder Künstliche Intelligenz

Wer macht in Ihrer Organisation die Vorselektion der eingehenden Bewerbungen? Eine erfahrende HR-Person, jemand Jüngeres oder die Künstliche Intelligenz? In der Vorselektion gehen wertvolle Talente verloren. Weil viele Dossiers in kurzer Zeit grob sortiert werden müssen, greifen Mensch und Maschine auf Stereotypen zurück. Diese machen sich oft an demografischen Informationen fest. Alter, Zivilstand, Aussehen, Selbstähnlichkeit etc. das meiste davon ist eigentlich irrelevant für die Eignungsbeurteilung. Und gerade deshalb ist Anonymisierung wichtig. Sonst laufen Arbeitgeber Gefahr, nur die Zweitbesten im Team zu haben und die Besten gehen zur Konkurrenz. Es ist wichtig, die Schablonen im Kopf und in den Algorithmen herauszufordern und so zu gestalten, dass sie produktive Ergebnisse liefern.

Firmenkultur

Über geeignete Online-Befragungen der Mitarbeitenden und Meldesysteme kann die Firmenkultur im Auge behalten werden. Regelmässige, anonyme Umfragen lassen Rückschlüsse über die tatsächliche Stimmung im Betrieb zu. Besonders die sorgfältige Erfassung von Austrittsgründen sowie demografische Unterschiede in der Fluktuation und den Beförderungsquoten zeigen systematisch auf, ob die Werte im Unternehmen auch wirklich gelebt werden.

Die digitale Transformation im Personalwesen kommt so oder so. Jedes Unternehmen muss für sich selbst entscheiden, wann es wie darin investiert und in die Umsetzung geht.

Copyright: Brainboards AG 
Autorin: Esther-Mirjam de Boer.